Endlich gibt es Hoffnung für beschnittene Frauen

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In Deutschland alleine leben mindestens 25.000 Frauen, weltweit mehr als 140 Millionen Frauen, die Opfer einer Genitalverstümmelung wurden.

Frauen in afrikanischen Ländern erleiden – auch heute noch – die Folter der Genitalverstümmelung, die immer noch in der afrikanischen Gesellschaft ein Tabuthema ist. Auch heutzutage noch werden bis zu 6.000 Frauen pro Tag beschnitten, in über 28 Länder in Afrika, im Mittleren Osten, Asien, Nord und Südamerika und sogar in Europa. Die Beschneidung hat keinen Zusammenhang mit der Religion und wird sowohl von Mohammedanern, Christen, Juden als auch Anhängern der Naturreligionen durchgeführt.

Waris Dirie wurde als Kind selbst beschnitten.
Waris Dirie wurde als Kind selbst beschnitten.

Diese bestialische „Operation“ ist für das ganze Dorf ein Fest, für die jungen Mädchen eine körperliche und seelische Folter. Jedes Jahr überleben viele Mädchen diese mörderische Prozedur nicht, weil sie verbluten oder an Infektionen sterben. Und wenn sie doch überleben, dann ist ihr Leben als Frau für immer körperlich und seelisch beeinträchtigt. Den Mädchen werden vorher die Augen verbunden und sie werden von anderen Frauen am Boden niedergehalten. Die Beschneiderin und ihre Helferinnen singen und tanzen, damit die Wartenden die Schmerzensschreien nicht hören.

Bei einer Beschneidung werden – ohne Narkose oder Lokalanästhetikum – Teile der äußeren weiblichen Geschlechtsorgane entfernt. Manchmal wird auch die Vaginalöffnung zugenäht, die Vagina und die kleinen Schamlippen eingeschnitten, die Klitoris und das sie umgebende Gewebe verbrannt oder mit Kräuterapplikationen die Vagina verengt. Man verwendet dazu Messer, Scheren, Glassplitter, scharfe Steine und Rasierklingen. Zum Zunähen der Vagina werden Nadeln und auch Akaziendornen benützt. Damit werden Löcher in das Gewebe gestochen und dann ein Faden durch diese Löcher durchgeführt. Zur Blutstillung werden Stofflappen oder auch Kräuter benutzt. Zur Wundbehandlung verwendet man eventuell entzündungshemmenden, meist aber eine Paste aus Kräutern, Milch, Eiern, Asche oder Dung – manchmal auch gar nichts. Danach werden die Mädchen zur Schmerzstillung in kaltes Wasser gesetzt und nachher werden ihnen die Beine zusammengebunden. Bis zu 40 Tagen müssen die Mädchen so liegen.

Beschnittene Frauen haben viele Probleme, die Körperflüssigkeiten fließen nicht richtig ab, stauen sich und lösen immer wieder Infektionen aus. Auch das vernarbte Gewebe verursacht chronische Komplikationen.

Eine uralte „Tradition“

Die Beschneidung wird seit über 4.000 Jahren in Afrika ausgeübt, ja sogar in der Pharaonenzeit wurde sie vorgenommen. Man glaubt, dass es ein Initiationsritus war, die Einführung ins Erwachsenenalter. Viele Stämme sehen es als normalen Ritus an. Für diese Menschen ist es unvorstellbar, dass Frauen nicht beschnitten werden. In vielen Ländern können unbeschnittene Frauen nicht verheiratet werden und dadurch keine Stellung in der Gesellschaft erringen.

Frauen, welche beschnitten sind, haben keine Lust auf Sex und daher besteht keine Gefahr, dass sie ihren Männern untreu werden. Ein weiterer Grund in manchen Kulturen ist, dass Männer lustvolleren Sex haben, wenn die Vagina möglichst eng ist. Andere Stämme in Ägypten und im Sudan glauben, dass nicht beschnittenen Frauen unrein sind und diesen Frauen ist es sogar verboten, zu kochen oder Wasser zu holen. Manche glauben sogar, dass ein Mann stirbt, wenn die klitoris seinen Penis berührt oder dass ein Kind stirbt, wenn sein Kopf bei der Geburt die klitoris berührt. Manche glauben, dass die Fruchtbarkeit durch die Beschneidung erhöht wird, die Empfänglichkeit gesteigert und die Geburt gefahrloser ist. Gerade das Gegenteil ist aber der Fall und Beschneidung ist schuld an der hohen Sterblichkeitsrate bei Gebärenden.

Noch im 19. Jh. waren sogar englische Ärzte der Meinung, dass man, um Hysterie und exzessives Masturbieren zu heilen, die klitoris entfernen sollte. Auch in den USA wurde deshalb die Klitorisentfernung bis ins letzte Jahrhundert hinein praktiziert.

Selbst in Deutschland sind immer noch an die 2.500 jungen Mädchen von einer Beschneidung bedroht. Damit wurde dieses Problem auch ein deutsches Problem. 2003 und 2004 wurde eine europaweite Undercover-Recherche gemacht und nachgewiesen, dass mehr als 500.000 Frauen in Europa leben, die von diesem Problem betroffen sind. Auch in Deutschland werden Mädchen beschnitten. Beschneiderinnen kommen dazu aus Afrika. Doch die größte Gefahr sind die so genannten „Ferienbeschneidungen“: Mädchen werden in den Schulferien in ihre Heimatländer geschickt und dort beschnitten.

Die Einführung eines eigenen Straftatbestandes, die der Bundestag im Juni 2013 beschloss, war gleichzeitig ein symbolischer Akt, denn vorher wurde Genitalverstümmelung nur als Körperverletzung betrachtet. Nun aber hat die Grausamkeit einen eigenen Namen im Gesetz. Und es gibt jetzt endlich auch medizinische Hilfe. In Berlin am Klinikum Waldfriede wurde das Desert Flower Center eröffnet. Dies ist das weltweit erste Zentrum, das beschnittenen Frauen eine Rundumbetreuung anbietet, angefangen von psychologischen Ratschlägen bis hin zur Rekonstruktion der Genitalien.

Das österreichische Model aus Somalia, Waris Dirie, ist die Schirmherrin des Zentrums. Sie kämpft bereits seit vielen Jahren gegen die Beschneidung der Frauen. Mit ihrem Welt-Bestseller „Wüstenblume“ unterstützt sie ihre Desert Flower Foundation im Kampf gegen Genitalverstümmelung.

Das Klinikum Waldfriede, das für seine gute Arbeit im Bereich der Darm- und Beckenbodenchirurgie bekannt ist, entschloss sich, gemeinsam mit der Desert Flower Foundation ein Zentrum aufzubauen, in dem beschnittenen Frauen geholfen wird. Jeden Monat werden einige Frauen operiert. Die Kosten übernehmen die Krankenkassen, das Krankenhaus selbst oder Spender.

Die Ärzte, die die Rekonstruktion der Genitalien und besonders der Klitoris durchführen, geben den Frauen ihre Empfindungen zurück, die man ihnen meist schon im Kindesalter genommen hat. Sie geben den Frauen ihre Weiblichkeit und ihre Würde zurück.

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