Nachruf auf Helmut Schmidt – einen unvergesslichen Staatsmann

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Man sah ihn nie ohne Zigarette oder Pfeife und dennoch schaffte es Helmut Schmidt stolze 96 Jahre alt zu werden. Am 10. November 2015 verstarb er in seinem Haus im Stadtteil Langenhorn in seiner Heimatstadt Hamburg. Nun hat Deutschlands Lotse das Schiff verlassen.

Helmut Schmidt hat das Schiff verlassen.
Helmut Schmidt hat das Schiff verlassen.

 

Der Politiker, Publizist und Philosoph, Weltökonom und Weichensteller, Krisenmanager und moralische Instanz, der ein Weitdenker mit messerscharfem Verstand war, mit einem Wort einer der prägendsten Politiker der deutschen Nachkriegsgeschichte, war von 1974 bis 1982 Bundeskanzler Deutschlands. Er war eine der wichtigsten Stimmen der deutschen Nachkriegsgeschichte.

Helmut Schmidt wurde am 23. Dezember 1918 im Hamburger Stadtteil Barmbek geboren. Nach dem Abitur kam er zur Wehrmacht und kämpfte im Zweiten Weltkrieg. Als Angehöriger des Reichsluftfahrtministeriums wurde Oberleutnant Helmut Schmidt als Zuschauer zu den Schauprozessen des Volksgerichtshofes gegen die Männer des Attentats vom 20. Juli 1944 abkommandiert. Angewidert vom Verhalten des Vorsitzenden Richters Roland Freisler ließ sich Schmidt von seinem vorgesetzten General von der Zuhörerschaft entbinden.

Helmut Schmidt heiratete am 27. Juni 1942 Hannelore Glaser („Loki“, 1919–2010). Aus der Ehe gingen zwei Kinder hervor. Ihr in Bernau bei Berlin behindert geborener Sohn Helmut Walter (* 26. Juni 1944) starb dort am 19. Februar 1945 noch vor seinem ersten Geburtstag. Tochter Susanne, die für den Wirtschaftsfernsehsender Bloomberg TV in London arbeitet, wurde im Mai 1947 in Hamburg geboren.

Seit den Jugendtagen waren Helmut und Loki Schmidt ein glückliches Paar.
Seit den Jugendtagen waren Helmut und Loki Schmidt ein glückliches Paar.

Ab Dezember 1944, als Batteriechef an der Westfront nach Belgien versetzt, äußerte er sich Anfang 1945 während einer Übung auf dem Flak-Schießplatz Rerik an der Ostsee kritisch über Reichsmarschall Hermann Göring und das NS-Regime. Dafür wollte ihn ein NS-Führungsoffizier vor Gericht stellen lassen. Ein Prozess wurde jedoch verhindert, indem zwei vorgesetzte Generäle Schmidt durch ständige Versetzungen dem Zugriff der Justiz entzogen.

Im April 1945 geriet Schmidt in Soltau in der Lüneburger Heide in britische Kriegsgefangenschaft und befand sich in einem belgischen Gefangenenlager in Jabbeke.

Danach studierte er Staats- und Volkswissenschaft. 1949 wude er Referent bei der Behörde für Wirtschaft und Verkehr in Hamburg. 1953 wurde er erstmals in den Bundestag gewählt und fiel dort sofort durch seine rhetorische Begabung auf. Bekannt wurde der Politiker als „Schmidt-Schnauze“, der damals Verkehrs- und Militärexperte war – und auch ein scharfer Kritiker der Regierungen von Konrad Adenauer.

Als er Hamburger Innensenator wurde, bedeutete dies seinen politischen Durchbruch und in dieser Funktion bewältigte er die Sturmflutkatastrophe von 1962, über diese er später meinte: „Alle liefen wie lauter aufgeregte Hühner umher – und einer musste die Sache ja wohl in die Hand nehmen.“

Eine besondere Errungenschaften seiner Kanzlerschaft war die Bewältigung der Ölkrise, die erfolgreiche Eindämmung des Terrorismus, die Vorbereitung eines europäischen Währungssystems und der NATO-Doppelbeschluss.

Ins Bundeskabinett zog er als Verteidigungs- und Finanzminister ein und wurde schließlich im Jahre 1974 deutscher Bundeskanzler. Erst im Jahr 1982, nach dem Zerbrechen seiner SPD-Koalition mit der FDP, wurde er von Helmut Kohl abgelöst.

Das war aber keinesfalls das Ende für ihn, denn als Mitherausgeber der „Die Zeit“ mischte er sich immer wieder in die Tagespolitik ein, obwohl er kein politisches Amt mehr übernahm. Er war immer und überall gern gesehener Gast und Interviewpartner und entfaltete eine rege

publizistische Tätigkeit als Buchautor, Vortragsredner und gefragter ‚Elder Statesman‘.

Zu seiner Motivation, sich politisch zu engagieren, äußerte sich Schmidt 2008 folgendermaßen: „Ehrgeiz ist ein Begriff, den ich auf mich nicht anwenden würde; natürlich lag mir an öffentlicher Anerkennung, aber die Antriebskraft lag woanders. Die Antriebskraft war typisch für die Generation, der ich angehört habe: Wir kamen aus dem Kriege, wir haben viel Elend und Scheiße erlebt im Kriege, und wir waren alle entschlossen, einen Beitrag dazu zu leisten, dass all diese grauenhaften Dinge sich niemals wiederholen sollten in Deutschland. Das war die eigentliche Antriebskraft.“

Schmidt war auch Mitglied des Vereins Atlantik-Brücke und Ehrenpräsident der Deutsch-Britischen Gesellschaft. 1993 gründete er die Deutsche Nationalstiftung, deren Ehrenvorsitzender er war. Gleichfalls hatte er den Ehrenvorsitz des ebenfalls von ihm selbst mitbegründeten InterAction Council inne, eines Rates ehemaliger Staatsmänner und -frauen, den er mit Freunden initiierte und dessen Vorsitzender er von 1985 bis 1995 war. 1993 wurde die Helmut-und-Loki-Schmidt-Stiftung (Hamburg) gegründet. 1995–1999 war er Präsident des Deutschen Polen-Instituts (Darmstadt). Sein Privatarchiv wird im Archiv der sozialen Demokratie verwaltet.

Schmidt gehörte 1997 zu den Erstunterzeichnern der Allgemeinen Erklärung der Menschenpflichten. Helmut Schmidt gründete 1995 nach dem Vorbild der Mittwochsgesellschaft die Freitagsgesellschaft, die den Zweck verfolgt, im Rahmen von Vortragsabenden und anschließender Diskussion den Austausch ihrer Mitglieder über ihr eigenes berufliches Gebiet hinaus zu fördern.

Als er seinen 90. Geburtstag feierte, wurde er in den meisten Zeitungen als „nationale Ikone“ oder als „Staatsmann und moralische Autorität“ bezeichnet und erhielt viele Würdigungen. In den vielen Jahren seiner politischen Tätigkeit erhielt er im Laufe seiner Regierungszeit und auch danach 6 Ehrenbürgerschaften und wurde mit 24 Ehrendoktorgraden geehrt, darunter Ehrendoktorwürden der britischen Universitäten Oxford und Cambridge, der Pariser Sorbonne, der amerikanischen Harvard- und der Johns Hopkins University, sowie der Keiō-Universität in Japan. 1983 erhielt er die Ehrendoktorwürde der Katholieke Universiteit Leuven. Helmut Schmidt erhielt 2007 die Ehrendoktorwürde der Philipps-Universität Marburg. (Die Aufzählung aller Preise, die er erhalten hatte, würde den Rahmen dieses Artikel sprengen).

Heiner Greten, sein langjähriger Freund und Arzt war bis ans Ende bei ihm. „Er ist friedlich und ohne Schmerzen eingeschlafen“, sagte er.

Auch im hohen Alter ein hervorragender Denker und Politiker: Helmut Schmidt.
Auch im hohen Alter ein hervorragender Denker und Politiker: Helmut Schmidt.

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